Der Lebensraum besteht aus
- der Katastralgemeinde Steinabrückl mit ca. 1.800 Einwohner und dem
- Wiener Neustädter Ortsteil Heideansiedlung mit ca. 450 Einwohner.
Der Ortsname Steinabrückl erscheint zum ersten Male in der Form „Steinenpruk“ in einer Urkunde Herzog Friedrichs II. im Jahre 1244. In der Schreibweise „Staynabruck“ und „Steinapruck“ kommt er auch in Urkunden der Abtei Melk aus dem 14. Jahrhundert vor. Es ist anzunehmen, dass in längst vergangenen Zeiten hier über die Piesting eine steinerne Brücke führte.
Dass die Heideansiedlung eigentlich ein Ortsteil von Wiener Neustadt ist, wissen viele Menschen nicht. Wie es zu diesem gekommen ist und was das mit Steinabrückl zu tun hat, wird im Folgenden beschrieben:
Die Gründung der Heideansiedlung hängt eng mit der Errichtung des Dorfes Theresienfeld zusammen. 1761 gab die Kaiserin Maria Theresia ein Libell (Anordnung) heraus, in dem sie verfügte die Wiener Neustädter Heide zu kultivieren. Sie wollte damit die große Hungersnot und die latente Unsicherheit, welche im Lande herrschte, bewältigen. Sie selbst wurde bei einer Besuchsfahrt in die von ihr gegründeten Militärakademie von einem Überfall auf ihren Tross überrascht.
Die sogenannte Wiener Neustädter Heide, ein steiniges und wenig fruchtbares Land, welches sich auf den Schwemmkegeln der Schwarza/Pitten im Süden und auf dem der Piesting im Norden ausbreitet, wird nur unterbrochen durch einen schmalen Saum der äußerst nassen Fischamulde, welche im Bereich nördlich der Altstadt, zwischen Vorstadtkirche und Auge Gottes nur wenige hundert Meter breit ist.
Die Mächtigkeit der Schotterflächen variiert zwischen 1 und 100 Meter; diese liegen auf einem nur teilweise durchlässigen tertiärzeitlichen Untergrund von einer Mächtigkeit, die bis zu 700 m betragen kann. Diese Schicht, bestehend aus Lehm, Sand, Konglomeraten und Brekzien, liegt ihrerseits auf dem eingebrochenen Felsuntergrund des Alpenbogens auf. Bedingt durch diese Situation sind auch die fließenden, wie auch die Grundwasserverhältnisse sehr verschieden.
So verlieren die Flüsse Schwarza/Pitten, die Piesting und teilweise auch noch die Triesting ein Drittel ihrer normal geführten Wassermenge bei ihrem Eintritt in die Schotterflächen. Diese Wasser speisen zwei Grundwasserhorizonte; den ersten unter den jungen Schotterkegeln, mit Austrittsquellen an den Rändern (z. B. Fischaquelle bei Eggendorf) und den zweiten am Grund des Tertiärbeckens bei Mitterndorf-Moosbrunn.
Der Mitterndorfer Grundwassersee ist vom Volumen her größer als der Neusiedler See!
Diese Heide war bis zur Gründung der Stadt Wiener Neustadt fast unbesiedelt. Einzig allein die Orte an den Rändern, wie Weikersdorf, Schwarzau am Steinfeld, Lanzenkirchen, Fischau, Wöllersdorf, Eggendorf und Ebenfurth hatten einige Kulturflächen auf ihr. Den südlichen Teil ließ Kaiser Karl VI. aus Sicherheitsgründen mit Föhren aufforsten, wobei einige Weideflächen berücksichtigt wurden. Der nördliche Teil blieb in seiner Natürlichkeit erhalten und diente in der Hauptsache der Viehweide, für die die Anrainerdörfer einen geringen Pachtzins dem Landesfürsten bzw. der Stadt Wiener Neustadt zu zahlen hatten.
Das ganze Gebiet hatte eine Längenausdehnung von 40 km (Neunkirchen—Ebreichsdorf) und eine Breite von 10 km (Wöllersdorf—Untereggendorf) und bestand ursprünglich aus Trockenrasenwiesen (heute noch ein Rest am Großmittel). Bäume und Sträucher gab es nur am Rande der Fischamulde und am natürlichen Kehrbacharm, der bei Peisching von der Schwarza abzweigte (abkehrte) und beim Bau der neuen Stadt zur Bewässerung dieser künstlich ausgebaut wurde.
Die schon eingangs erwähnten Kriege gegen die Franzosen und Preußen im 17. und 18. Jhdt. brachten das Habsburgerreich in große Not und die Bevölkerung Niederösterreichs litt nicht nur unter Hunger, sondern auch unter den Plünderungen der vielen Marodeure und Deserteure. Daher der Auftrag, auf dieser großen öden Weite eine neue Siedlung zu errichten, um nicht nur der Hungersnot Herr zu werden, sondern auch eine gewisse Sicherheit herzustellen.
Dazu wurden Bauernsöhne aus dem oberen Vintschgau und dem Oberinntal herbeigerufen, da in diesen Gebieten eine Überbevölkerung herrschte, welche sich nicht mehr selbst ernähren konnte (Kinderverkauf oder Verleih nach Schwaben?).
Die Neuankömmlinge auf der Heide erhielten riesige Ackerparzellen zum Bewirtschaften und eine Steuerfreiheit von 30 Jahren. Die Planung der Ortschaft oblag dem Freiherrn Anton Ritter von Raab. Damit überhaupt auf dem trockensten Teil der Heide gesiedelt werden konnte, war Wasser notwendig und dieses besorgte man sich durch ein künstliches Gerinne, welches bei Wöllersdorf vom Piestingfluss abgezweigt wurde und das man später „Tirolerbach“ nannte. 1763 waren die ersten fünf Häuser fertig. 1764 erfolgte die offizielle Eröffnung der neuen Siedlung. Das 12 km2, rechteckige Areal wurde von den Gemeinden Eggendorf und Wiener Neustadt abgetrennt und diesen erst 1766 vergütet.
Dem Projekt war vorerst kein großer Erfolg beschieden. Etliche der Neusiedler hielten das Klima und die Eintönigkeit unserer Landschaft nicht aus und kehrten schon nach wenigen Jahren wieder in ihre Heimat zurück. Nördlich und westlich des neuen Dorfes blieb noch immer ein großer Teil der Wöllersdorfer Heide übrig. Auf diesem weideten die Bauern der umliegenden Orte ihr Vieh und die Stadt selbst betrieb eine Schafzucht mit einem Schafflerhof an der Piestingbrücke bei Steinabrückl. Da sich aber die Schafzucht in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. nicht mehr richtig lohnte (Billigimporte aus England), beschloss die Stadt über Auftrag des Kreisamtes Traiskirchen, auch dieses Gebiet zur Besiedelung freizugeben.
Dazu erhielten siedlungswillige Bauernsöhne aus den Dörfern Matzendorf, Hölles, Steinabrückl, Wöllersdorf und Fischau unentgeltlichen Boden und darauf eine Steuerbefreiung für ebenfalls 30 Jahre. Diese Neurisse befanden sich zwischen dem Stadtweg von Wöllersdorf und der Landstraße nach Gutenstein.
Im Osten war das neue Theresienfeld die Grenze. Auch südlich des Steinaweges, welcher von den Wöllersdorfer Steinbrüchen in die Stadt führte, wurde die Heide kultiviert, jedoch hat dies keinen Bezug auf die neue Siedlung auf der Heide.
Die neuen Parzellen (Gewähre) wurden rechts und links entlang des schon bestehenden Tirolerbachs angelegt, da die Siedler annahmen, dass auch sie Wasser aus dem Gerinne bekämen. Es kam aber aus zwei Gründen nicht dazu:
- Die Theresienfelder wehrten sich gegen eine weitere Wasserentnahme und pochten auf ihr alleiniges Recht.
- Die Mühlen- und Pulverstampfbesitzer unterhalb von Wöllersdorf entlang der Piesting setzten sich ebenfalls gegen eine vermehrte Entnahme aus dem Flusse durch.
Beide konnten sich eindeutig gegen die Wünsche der Siedler behaupten und ließen die Armen auf dem Trockenen sitzen. Die Fläche des neuen Dorfes betrug 290 Joch inklusive der Zugänge zu der Viehtrift und wurde in über 100 Einzelparzellen aufgeteilt. Politisch war das „Haddörfl“, wie es genannt wurde, dem Stadtgebiet zugehörig, genauso wie die schon bestehenden Häuser südlich der Piesting von Steinabrückl Nr. 9-13-sowie Nr. 20 und später auch die Nr. 40 (letzte Nummerierung), wirtschaftlich und kulturell waren sie von Steinabrückl abhängig. Die Stadtgrenze verlief nun entlang der Theresienfelder Gemeinde, von der entlang der Reichsstraße bis zur Sollenauer Piestingbrücke, dann die Piesting aufwärts bis zur Steinabrückler Brücke, von dort den alten Salz- oder Römerweg in südwestlicher Richtung bis zur heutigen Feuerwerksanstalt, von dort drehte sie nach Osten bis zum Lukaweg in der Nähe der heutigen Polizei-Schule (Cobra).
Der Ort Steinabrückl, an der jahrtausendealten Piestingfurt gelegen, war wahrscheinlich schon seit der frühen Bronzezeit als Übergang über den Fluss bekannt.
Die alte Salzstraße nach Hall bei Mariazell benützte ihn ebenso wie die Römerstraße von Scarbantia (Ödenburg) nach Vindobona. Seit dem 11. Jhdt. bildete die Piesting die Grenze zwischen der Steiermark und Osterreich, sowie zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Bistum Passau.
Der Ort wurde unter Matthias Corvinus 1484 vollständig niedergebrannt und nur fünf Häuser konnten die Katastrophe schwer beschädigt für weitere Jahre bestehen. Ebenso erging es dem Dorfe St. Radegund, von dem heute nur noch der Friedhof von Matzendorf, in der Nähe der Heidemühle, übrig geblieben ist.
Diese Mühle, dürfte schon seit dem 15. Jhdt. bestehen und sie war die einzige im weiten Umkreis der Heide, welche auch in den trockensten Jahren in Betrieb gewesen ist. Zu ihr kamen die Bauern von Willendorf bis Fischau, wenn die kleinen Gewässer der Fischamulde kein Wasser führten.
Der Verlauf des Straßenstückes der heutigen Blätterstraße von Fischau zur Heideansiedlung bezeugt dies.
1726 bestand Steinabrückl wieder aus 7 Häusern. 1736 gab es einen Streit mit der Herrschaft Fischau wegen dem Erhalt der Piestingbrücke.
Bei diesem wurde entschieden, dass die Stadt Wiener Neustadt und die Herrschaft Enzesfeld je zur Hälfte erhaltungspflichtig sind, was sowohl die Brücke als auch die Zufahrtswege betraf. Maßgebend bei diesem Streite war, dass die Neustädter schon immer einen Überreiter (Zollkontrollor) bei der Brücke und am alten Weg nach Fischau postiert hatten.
Die ersten Siedler des Haddörfls sind namentlich bekannt. So kamen Michael Fugger, Karl Dornauer und Wenzel Sederl aus Wöllersdorf, Michael Heiden aus Steinabrückl, Peter Scheibenreif, mein direkter Vorfahre, und sein Cousin Anton aus Fischau und Thomas Postl wahrscheinlich aus dem Piestingtal.
Johann Buchleitner aus Steinabrückl und Johann Legenstein aus Wöllersdorf kamen eigene Zeit später dazu. Wann genau die ersten Siedler auf die Heide kamen, lässt sich feststellen. Es dürfte dies in den Jahren 1767-1770 gewesen sein. Von Peter Scheibenreif, gibt es ein exaktes Datum: Es war im Jahre 1770. Die Neusiedler wohnten am Anfang noch nicht auf der Heide, sondern fuhren jeden Abend in ihre Heimatdörfer zurück.
Aus den Gewährbüchern (Grundbuch) ist zu ersehen, dass Michael Fugger, Michael Heiden ihre Häuser im Jahre 1772 eintragen ließen, Wenzel Sederl 1776 und Thomas Postl 1779. Warum die anderen Siedler ihre Anwesen nicht eintragen ließen, ist unbekannt. Jedenfalls mussten 1775 schon 15 Häuser bestanden haben, da Michael Fugger beim Magistrat Wiener Neustadt um eine Gasthauskonzession ansuchte, die ihm auch gewährt wurde, da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben waren.
Ebenfalls zur gleichen Zeit erhielt Steinabrückl die erste Kirche, welche 1784 zur Pfarrkirche erhoben wurde und in die auch die Neusiedler eingepfarrt wurden. Durch die neue Friedhofsordnung Kaiser Josephs II. wurde auch der Friedhof geschaffen. Bis dahin wurden die Verstorbenen im Matzendorfer Friedhof bestattet. In diesen ersten Jahren gab es immer wieder Streit mit den Anrainern der Ortschaften Wöllersdorf, Fischau und Matzendorf, sowie mit der Herrschaft Fischau wegen des alten Weiderechtes auf der Heide. Oft wurden die entlang der Viehtriften neugeschaffenen Äcker durch fremdes Vieh verwüstet.
Um 1800 wurde in Steinabrückl auf dem Anliegen der Spießmühle eine Kattunfabrik errichtet, dabei musste der Kalte Gang (Piesting-Fluss) umgeleitet werden.
Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, die Grenze der Stadt an der Piesting zu ändern. Die alte Brücke war jetzt nicht mehr Grenze und die Häuser südlich des Flusses (heutige Nrn. 9, 11, 12, 13), welche zwischen dem Römerweg und dem Mühlenweg lagen, sowie das Haus Nr. 20 etwas unterhalb kamen an die Ortschaft Steinabrückl. Dadurch verringerte sich die Anzahl der Häuser auf der Siedlung auf 11.
Erst 1808 erhielt Steinabrückl eine neue Schule, obwohl per Dekret diese schon 1787 angeordnet worden war. In diese waren auch die Kinder der neuen Siedlung eingeschult. Der Schulbesuch war aber oft sehr schwach, besonders während der Erntezeit, sodass der Lehrer öfters beim Magistrat Beschwerde darüber erhob. Schon 1770 veranlasste die Kaiserin, dass die Seelen und Häuser gezählt werden sollten.
Ob dies auf der Heide auch geschah, ist mehr als fraglich, da es noch Gebiets- und Grenzstreitigkeiten mit der eingesessenen Herrschaft Fischau gab).
Jedenfalls wurde erst um 1800 die Zahl der Gebäude bekannt; es waren 17, wobei noch die Häuser an der Piesting mitgezählt wurden. Laut Verzeichnis der Hauptpfarre Wiener Neustadts sollte der Magistrat für die alten fünf Häuser dem Pfarrer von Steinabrückl Brennholz liefern, das jedoch des Öfteren vergessen wurde und es daher öfter zu Beschwerden kam.
So schlecht wie der Standort am Anfang ausgesehen hatte, dürfte er doch nicht gewesen sein. Führten doch die Transportrouten aus- dem Piestingtale und der Neuen Welt direkt an der Siedlung vorbei, um sich dann unterhalb dieser gegen Wien oder in gerader Linie gegen Ungarn zu wenden.
Tagtäglich wurden viele Fuhrwerke, beladen mit Holz und Holzprodukten, Eisenwaren und Kalk, aus dem Tal herausbefördert und in der Gegenrichtung Waren aller Art in dieses wieder hinein. Fugger erkannte als Erster diese günstige Situation und baute seinen Gasthof zur Pferdewechsel-Station aus (heute Mostheuriger Schmidtbauer). Fugger erbaute auch die Michaelskapelle in der Raketengasse, die vom Verschönerungsverein Steinabrückl-Heideansiedlung 1998 renoviert wurde. Nun, Pferde brauchen Futter und Pflege, und das konnten die Neusiedler günstigst beschaffen.
Entgegen anders lautender Meinungen dürfte dies auch der Hauptgrund für das Überleben der Siedlung gewesen sein.
Um 1810 sollte es zu einem Ereignis kommen, dessen Folgen bis ins 20. Jhdt. reichte. Freiherr v. Augustin wurde von Kaiser Franz beauftragt, sich mit dem Raketenwesen für Kriegszwecke zu befassen. Dazu wurde auf der Heide beim Steinaweg (der Name stammt von den Steintransporten aus den Wöllersdorfer Steinbrüchen in die Stadt) einige Objekte errichtet, welche man später als Raketendörfl bezeichnete. Die Produktion des Treibmittels befand sich am „Wasser“ (heute Wasserkaserne). Das Versuchsgelände errichtete man mitten auf der Heide. Diese neugeschaffene Anlage schuf auch mehrere Arbeitsplätze für die erste Nachwuchsgeneration der Siedler.
Alle diese Veränderungen scheint der Magistrat nicht wahrgenommen zu haben, wie dies aus der Stadtgeschichte von Mayer hervorgeht. Das Dorf und seine Bewohner existierten für die hohen Herren nicht. Vielleicht war es die 1819 erfolgte Neueinführung der Grundsteuer oder die Aufforderung des Kreisamtes Traiskirchen, endlich die Reparaturkosten für die Piestingbrücke zu bezahlen, dass man sich an die Bürger auf der Heide erinnerte. Und so kam man bei dieser Gelegenheit darauf, dass die 30-jährige Steuerfreiheit schon seit 10 Jahren abgelaufen war und schrieb im Jahre 1820 erstmalig Abgaben vor.
Von 1817 bis 1833 wurden an dem franziszeischen Kataster gearbeitet, in dem erstmalig sämtliche Grundstücke erfasst wurden und eine Nummer bekamen, dabei wurde auch gedrängt, nicht lebensfähige Dörfer oder Herrschaften zusammenzulegen. Im Zuge dieser Neuordnung wäre es auch möglich gewesen, die Dörfer Steinabrückl und das Heidedörfl zusammenzulegen und nach Wiener Neustadt einzugemeinden. So lautete die Eingabe der Bürger von beiden Siedlungen. Ihr wurde nicht stattgegeben. Der Grund dafür ist unbekannt. Jedenfalls aber wurde eine Grenzberichtigung durchgeführt.
Die Piesting war jetzt nicht mehr Stadtgrenze, sondern die neue Gemarkung verlief nun vom nordwestlichen Punkt Theresienfelds, entlang der von Kaiser Franz II. neugebauten Gutensteiner Straße im Jahre 1827, bis zur Kreuzung im Westen mit dem Luka- bzw. Wiener Neustädter Weg in Steinabrückl, um dann von dort im rechten Winkel, an den Häusern der Siedlung entlang, genau nach Süden zu führen. Damit kam auch das Haus Nr. 40 endgültig nach Steinabrückl.
Die Siedlung selbst erhielt nun den etwas steifen bürokratischen Namen „Heideansiedlung“.
1821 wurde der letzte Rest, der zur Stadt gehörige nördliche Teil der Heide zwischen Theresienfeld und der Piesting bei Sollenau, über Auftrag des Wiener Neustädter Bürgermeisters Felix Mießl zur Besiedelung freigegeben. Dies war notwendig geworden, da sich entlang der Piesting bereits mehrere Industriebetriebe angesiedelt hatten, welche natürlich dringendst Arbeitskräfte benötigten, welche ihre Wohnstätten in Fabriksnähe haben sollten.
Für die Siedlung war der Name „Franzensdorf“ vorgesehen, jedoch Kaiser Franz II. lehnte diese Ehre dankend ab, schon im Rückblick auf die Schwierigkeiten, welche seine Großmutter Maria Theresia mit Theresienfeld hatte. Im Zuge des Gemeindeautonomiegesetzes wurde der Ort von Wiener Neustadt abgetrennt und zur selbstständigen Gemeinde Felixdorf erhoben.
Das oben erwähnte Gesetz blieb auch nicht ohne Folgen für die beiden Orte Steinabrückl und der Heideansiedlung. Es wurde wieder der Versuch unternommen, diese zu vereinigen, leider aber vergebens. Für die Bewohner der Siedlung hatte sich schon Michael Fugger angenommen, allerdings inoffiziell.
Später war es Franz Nusser und Josef Süß, beide Kleinbauern auf den später erbauten Häusern Nr. 7 und 2. Beide aber wurden auf Grund ihrer Radikalität von den Herren des Magistrates abgelehnt. Der erste amtliche Vertreter war Michael Fugger II., ihm folgte Michael Scheibenreif und später dessen Sohn Leopold. Ab 1945 wurde das Amt nach dem Mehrheitsprinzip nach Gemeinderatswahlen vergeben.
Durch das 1849 erlassene Gemeindegesetz wurden auch die neuen Bezirksämter geschaffen. Durch das Grundentlastungsgesetz 1851 wurde ein freier und unabhängiger Bauernstand in Österreich ermöglicht. Diese beiden Gesetze bewirkten eine Neuordnung, welche 1862 durch das Reichsgrundgesetz, mit Volkszählung und Neuordnung des Katasters, abgeschlossen wurde. Steinabrückl wurde daraufhin zur autonomen Gemeinde erklärt, nachdem sich die Bürger geweigert hatten, mit Matzendorf eine Einheit zu bilden. Auf Wunsch der Bewohner der Heideansiedlung verblieben diese bei Wiener Neustadt.
Die Volkszählung 1862 erbrachte folgendes Ergebnis: 17 Häuser, darunter 1 Gastwirtschaft (Fugger), 1 Wagnermeister (Heiden), 12 Vollerwerbsbauern und 3 Kleinbauern.
Freiherrn v. Augustins nicht sehr erfolgreiche Raketenproduktion wurde von einer neuen Erfindung des Freiherrn v. Uchatius, welcher aus Theresienfeld stammte (Petrihof), abgelöst. Dieser erfand das gezogene Geschützrohr, welches die Treffsicherheit wesentlich verbesserte. Damit war der Ausbau der vorhandenen Raketenanstalt zur späteren größten Munitionsfabrik Europas vorprogrammiert.
Der Betrieb expandierte bis zum 1. Weltkrieg fast explosionsartig, was einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung in der Umgebung bewirkte. 1914 arbeiteten fast 40.000 Menschen, aus allen Teilen der Monarchie, in dem Werk. Dabei kam es während der Kriegsjahre immer wieder zu Explosionsunfällen, oft mit hunderten Toten. Die größte Katastrophe ereignete sich im September 1918, bei welcher über 500 Menschen, hauptsächlich Frauen aus Böhmen, elendiglich verbrannten. Da die Pfarre Steinabrückl Garnisonspfarre geworden war, wurden die meisten Opfer auf einem eigenen Friedhof dort bestattet.
Am Anfang der Kriegsjahre wurde östlich des Werkes eine wunderschöne Jugendstilkirche errichtet, welche beide Kriege gut überstand aber nach dem 2. Weltkrieg von Einheimischen vollständig zerstört wurde. Auch das über 100 km lange Eisenbahnnetz innerhalb des Werkes und mit Stichbahnen über die Heideansiedlung und Felixdorf nach dem Lager Großmittel, sowie eine über die Heide nach Wiener Neustadt, die dem Arbeitertransport diente, wurden schon nach dem 1. Weltkrieg demontiert.
Das Werk selbst musste nach verschiedenen, Versuchen, es auf friedliche Produkte umzustellen (Glasfabrik etc.), im Jahre 1927 endgültig schließen.
Für die Heideansiedlung brachte die Eröffnung der Gutensteiner Bahn (1877) einen argen Rückschlag für das alte Transportgewerbe aus dem Piestingtal. Die meisten Unternehmen gingen zugrunde. Einkehrgasthöfe mussten daraufhin zusperren oder ganz verkaufen.
So auch der Enkel des Gründers des ersten Gasthauses auf der Heide, Karl Fugger. Er musste seinen Betrieb schon 1879 an Leopold Hirschler verkaufen.
Dieser versuchte mit seinen Knechten 1896/97 den Bau der Schneebergbahn mit Gewalt zu verhindern, dies brachte ihm jedoch eine sehr schwere Strafe ein, sodass er gezwungen war, seinen Besitz 1899 an Josef Babler zu verkaufen. Erst um 1900 kam für die Heideansiedlung der wirtschaftliche Aufstieg.
Bereits im Jahre 1908 gab es schon 32 Häuser; darunter: 1 Gastwirt (Babler), 1 Schmiede (Unger), 1 Wagnerei, 1 Greißlerei (Meier), 1 Schuster, 1 Friseur (Risnar), sowie 13 Landwirte; 16 Häuser waren Neubauten von Arbeitern und Angestellten der Munitionsfabrik.
In der Zeit des 1. Weltkrieges wurde auch größtenteils der elektrische Strom eingeleitet. Nach dem 1. Weltkrieg geriet das Dorf wieder in Vergessenheit. Es wurden bis 1940 nur 4 Häuser gebaut und in den 30 er Jahren, zur Zeit der größten Arbeitslosigkeit, eröffnete ein Pferdefleischhauer eine Filiale im Dorf.
Die einzige Investition, welche die Stadt tätigte, war die Asphaltierung der 300 m langen Gutensteiner Straße im Ortsgebiet.
Vom Beginn des 2. Weltkrieges bis 1944 gab es keinerlei Besonderheiten. Erst im Jahre 1944 erfolgte ein Splitterbombenangriff auf die, auf den Feldern abgestellten Flugzeuge. Dadurch wurde auch das Dorf in Mitleidenschaft gezogen. Die Häuser Nr. 13, 14 und 15 wurden getroffen und gingen teilweise in Flammen auf. Alle anderen kamen mit kleineren Schäden durch Splitterbomben relativ gut davon. Bei Kriegsende, als die Russen einmarschierten, wurde ein Bewohner, als er mit der roten Fahne den Befreiern entgegenlief, erstochen.
Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich wurde noch einmal über die Zusammenlegung beider Ortschaften gesprochen, zumal sämtliche kulturellen und gesellschaftlichen Ereignisse gemeinsam abliefen. So die des noch vor der Jahrhundertwende gegründeten Arbeiter-Männergesangsvereines, des 1904 erstmals geschaffenen Verschönerungsvereines (1954 wieder gegründet), der 1906 gegründeten freiwilligen Feuerwehr und des nach dem 1. Weltkrieg gegründeten Fußballklubs sowie alle kirchlichen und politischen Veranstaltungen, jedoch der Ausbruch des 2. Weltkrieges verhinderte eine Lösung in dieser Richtung.
Nach dem letzten Krieg wurden unter Bürgermeister Wehrl keinerlei Aktivitäten gesetzt, da die arg zerstörte Stadt damals den Vorrang hatte. Erst anfangs der 70er Jahre erlebte die Heideansiedlung einen neuen Aufschwung. Unter Bürgermeister Barwitzius und seinem Nachfolger Kraupa wurden alle Straßen staubfrei gemacht, der Ort an die Wasserleitung von Wöllersdorf-Steinabrückl angeschlossen, die Straßenbeleuchtung modernisiert, sowie ein Kinderspielplatz geschaffen.
Die weitere Nachfolgerin, Bürgermeister Dierdorf, ließ den alten Sportplatz umwidmen, um Platz für eine moderne Wohnhausanlage zu schaffen. Aber dieser „Aufbruch“ ins 21. Jahrhundert verpuffte, da die Stadtgemeinde keine weiteren Investitionen tätigte. Es gibt keinen Kindergarten im Ortsteil und auch von den vielen Kulturveranstaltungen der Stadt sind die Bürger der Siedlung noch immer ausgeschlossen, falls sie kein eigenes Fahrzeug besitzen, da es keinen öffentlichen Verkehr am Abend oder am Wochenende gibt.
Diese und andere Benachteiligungen des „vergessenen Dorfes“ hat zuletzt im März 2012 eine Bürgerinitiative aufgezeigt.
Quelle: Das vergessene Dorf – die Geschichte der Heideansiedlung („Haddörfl“) von Leopold Scheibenreif
(veröffentlicht in den Blättern des Denkmalschutzvereins Wiener Neustadt) ergänzt mit persönlichen Erfahrungen von Walter Linshalm.